Reizvoll: Preußen und Sachsen in einer Ausstellung
Kuratorin Anne-Katrin Ziesak konzipiert die erste Landesschau Brandenburgs
Nach den Napoleonischen Kriegen wird beim Wiener Kongress 1814/15 Europa politisch neu geordnet. Sachsen verliert mehr als die Hälfte seines Territoriums an Preußen. Auch die Niederlausitz. 200 Jahre später ist das dem Land Brandenburg Anlass für eine erste historische Landesausstellung. Als Gastgeber wird Doberlug-Kirchhain im Landkreis Elbe-Elster gewählt. Kuratorin ist Anne-Katrin Ziesak aus Berlin.
Seit wann ist die erste Landesausstellung Brandenburgs für Sie ein Thema und was macht eine Kuratorin?
Ich bin seit 2011 als Kuratorin beauftragt. Habe mich aber schon davor eingebracht. Ich mache das als freie Mitarbeiterin für das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam. Ein Kurator – oder eben eine Kuratorin – ist verantwortlich für den Inhalt einer Ausstellung.
Welche Projekte durften Sie als Kuratorin schon verantworten?
Zum Beispiel die Ausstellung "Revolution von oben – Preußens Staatskanzler Karl August von Hardenberg", 2009/10 in Potsdam und Berlin, oder "Gott in Brandenburg. Zeugnisse christlicher Kulturprägung", 2005 in Potsdam.
Worin sehen Sie den Reiz der Landesausstellung?
Das ist für mich das Preußen-Sachsen-Thema, der Mythos von Sachsens Glanz und Preußens Gloria, den wir hinterfragen wollen. Das hat es noch nie so in einer Ausstellung gegeben.
Wir haben schon zwei Arbeitstitel kennengelernt …
Seit wenigen Tagen steht der endgültige Titel fest: "Preußen und Sachsen. Szenen einer Nachbarschaft". Und "Wo Preußen Sachsen küsst" soll sich als einprägsamer Werbeslogan bis 2014 in möglichst vielen Köpfen festsetzen. Es wird ein Rahmenprogramm zur Landesausstellung auf dem Schloss- und Klosterareal von Doberlug-Kirchhain geben. Zahlreiche Partnerprojekte rund um das Thema Preußen und Sachsen unter dem Arbeitstitel "Die Region feiert" sind angedacht.
Warum findet die Landesausstellung in Doberlug-Kirchhain statt?
Das ist bewusst gewählt. Sie sollte nicht an einem eingeführten Ort gezeigt werden. Brandenburgs Süden, Elbe-Elster und hier speziell dem Renaissance-Schloss Doberlug, was wiederersteht und aus dem über die Landesausstellung hinaus ein kulturhistorisches Zentrum werden soll, wollen wir dadurch landesweit Aufmerksamkeit verschaffen.
Für Sie eine besondere Herausforderung?
Durchaus. Die Aufgabe lautet, guckt mal, wie ihr mit dem Thema ankommt und die Leihgaben sowie die Besucher dorthin bekommt.
Welches wird die größte Hürde?
Ganz klar, die Leute nach Doberlug-Kirchhain zu locken.
Was heißt das für die Ausstellung?
Sie muss für unterschiedliche "Publikümer" interessant sein – von Dresden bis Berlin, für die Einheimischen, die Bad Liebenwerdaer und Finsterwalder. Und wir erhoffen uns von den meisten mehr als nur einen Pflichtbesuch. Die Jugend nicht zu vergessen. Die Erfahrung lehrt, dass solche Ausstellungen eher von der Generation 50plus wahrgenommen werden. Jüngere Leute zu erreichen, dazu sind Zugang und Anreiz wichtig. Das ist die Kernaufgabe für den Kurator, unterschiedliche Menschen unter einen Hut zu bringen. Der Besucherstrom wird aber auch abhängig sein von begleitenden Kulturveranstaltungen in dieser Zeit.
Wo haben Sie Ihren Arbeitsplatz?
Überall und nirgends. Im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam, zu Hause in Berlin, vor allem aber in Bibliotheken, Archiven und Museen zur Recherche. Etwa sechs Tage im Monat bin ich derzeit in Doberlug-Kirchhain und Umgebung, um das Vorhaben in unterschiedlichsten Kreisen vorzustellen und Absprachen zu treffen. Kurz vor der Ausstellung zieht das ganze Projektteam natürlich nach Doberlug-Kirchhain.
Wer gehört dazu?
Im Moment sind wir zu dritt. Außer mir noch Elke Scheler, Leiterin Kommunikation, und Peter Langen, wissenschaftlicher Mitarbeiter für die inhaltliche Konzeption. Das werden aber noch mehr – je nach Arbeitsbereich.
Wie sind die Aufgaben verteilt?
Budgetverwaltung, Projektleitung und Pressearbeit obliegen dem Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte. Wir brauchen einen Ausstellungsarchitekt, der mit dem beauftragten Architekten für die Schlosssanierung eng zusammenarbeitet, damit letztendlich, vereinfacht gesagt, die Steckdosen an der richtigen Stelle sind, die konservatorischen Bedingungen passen und die Besucherführung stimmt. Wir brauchen einen Grafiker. Die Absprachen für Leihgaben treffe ich selbst, aber ein Registrar wird sich um die Objektverwaltung, Vertragsabschlüsse und den Transport kümmern müssen.
Wie viel Geld steht Ihnen zur Verfügung?
Wir haben nicht das Budget einer sächsischen Landesausstellung. Wir sind preußisch bescheiden und haben für die Ausstellung 2,5 Millionen Euro zur Verfügung. Die Hälfte davon muss jetzt von uns selbst eingeworben werden – von Stiftungen oder privaten Unterstützern. Parallel dazu werden das Corporate Design, ein Logo und die Homepage entwickelt. 2013 wollen wir richtig durchstarten.
Was darf man von der Ausstellung erwarten?
Einzelne Schauobjekte zu benennen, dazu ist es noch zu früh. Wir wollen gern kostbare Gemälde aus Dresden und Potsdam, hochwertige Kunstkammerprojekte und wertvolle Dokumente zeigen. Wir wollen Kunstschätze aus Dresden, Potsdam und Berlin mit modernen Mitteln präsentieren. Es werden Originale zu sehen sein, mit einer Aura, die erzählt und in den Kontext der Geschichte eingebettet wird.
Welche Schwerpunkte wird die Landesausstellung haben?
Sie ist gegliedert in vier Module. Kern ist die glanzvolle Sonderausstellung über fünf Monate im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss des Schlosses, die "Szenen" aus der wechselvollen preußisch-sächsischen Beziehung erzählen wird. Da gibt es viele Ansatzpunkte. Nur ein Beispiel: Friedrich II. wirkte im Siebenjährigen Krieg zerstörerisch in Sachsen, andererseits ist ihm Sachsen Vorbild und er holt die Graun-Brüder aus Wahrenbrück als Musiker an seinen Hof. Modul zwei und drei sollen auf Dauer eingerichtet werden. Im Südflügel des Schlosses wird die Geschichte des Schlosses selbst als wichtigstes Exponat dargestellt. Das Denkmalamt hat dort in den letzten 20 Jahren wichtige Details zu Tage befördert. Aber auch Dobrilugk, die barocke Planstadt von Christian I., und die Region bekommen dort ihren Platz. Die benachbarte Klosterkirche, ein national bedeutendes Denkmal, haben wir mit einem eigenen Ausstellungsbereich bedacht. Dazu gehört die einstige Klausur des ältesten Zisterzienserklosters auf Brandenburger Boden. Modul vier wird der Schlossgarten.
Wie soll die Landesausstellung auf die Region ausstrahlen?
Sie wird sie hoffentlich mitreißen. Es wird etwa fünf Korrespondenzausstellungen geben, vielleicht auch in Sachsen, die das Thema ergänzen. Am besten natürlich an einem authentischen Ort. Ein Beispiel: Beim Thema Grenze zwischen Sachsen und Preußen bietet sich die Grenzfestung Senftenberg an. Wir setzen auch auf das Schloss Branitz.
Wer sind Ihnen auf dem Weg bis 2014 Partner und Dienstleister?
Da gibt es viele, die einbezogen sind. Das Landeshauptarchiv, das Landesamt für Denkmalpflege, die Uni Potsdam, das Institut für sächsische Geschichte und Volkskunde, die Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg, die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, die zwei Schirmherren, die Ministerpräsidenten Platzeck und Tillich, nicht zu vergessen.
Wann waren Sie das erste Mal in Doberlug-Kirchhain?
1995. Da habe ich in Dresden gearbeitet und bin hier auf dem Bahnhof umgestiegen. Das erste Mal bewusst in der Stadt war ich im Januar 2009. Da ging es schon Richtung Landesausstellung.
Was hat sich seitdem in der Stadt getan?
Die Stadt und vor allem der historische Stadtkern in Doberlug verändern sich. Straßen und Gebäude werden saniert. Wichtige "Baustellen" sind der Bahnhof und die Wegführung zum historischen Areal.
Bleibt bis 2014 noch genug Zeit?
Sagen wir mal vorsichtig: Zeit ist nie genug. Das Areal baulich herzurichten und die Ausstellung rechtzeitig zu schaffen, ist eine sportliche Herausforderung. Auch für die Stadt. Vor deren Engagement ziehe ich den Hut.
Welchen Beitrag können die Einwohner von Elbe-Elster für die Landesausstellung leisten?
Sie sollten gute Botschafter sein und dafür positiv werben.
Mit ANNE-KATRIN ZIESAK sprach Heike Lehmann.
Alle Interviews können Sie noch einmal nachlesen unter www.lr-online.de/interview
Zum Thema:
Die erste Brandenburgische Landesausstellung findet vom 1. Mai bis zum 2. November 2014 im Schloss Doberlug statt. Gastgeber ist die Stadt Doberlug-Kirchhain (Elbe-Elster). Die Projektleitung der Landesausstellung liegt beim Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) in Potsdam. Anne-Katrin Ziesak ist 46 Jahre alt und in Berlin geboren. Dort lebt sie auch heute noch. Sie hat an der Freien Universität Berlin Geschichte und Bibliothekswissenschaften studiert. Die Historikerin hat für verschiedene museale Einrichtungen gearbeitet, zum Beispiel für das Deutsche Historische Museum in Berlin und das Deutsche Hygienemuseum in Dresden. Sie arbeitete für die Gedenkstätte Sachsenhausen, betreute Projekte für das Kulturland Brandenburg und mehrfach für das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte Potsdam. Kennen auch Sie Persönlichkeiten, die etwas zu sagen haben? Dann schlagen Sie uns Gesprächspartner vor: Lausitzer Rundschau, Straße der Jugend 54, 03050 Cottbus, oder perE-Mail an die Adresse:
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Von Heike Lehmann, erschienen in der Lausitzer Rundschau am 26.04.2012
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